Furcht, Glaube, Liebe. Phänomene die den lauf unseres Lebens bestimmen

Keine Sorge, im nächsten Eintrag gibt es wieder Sightseeing satt. Aber die besonderen Umstände meiner Reise ermöglichen mir einen Blick hinter die Kulissen dieser Insel. Einen Blick, den ich euch nicht vorenhalten möchte.

Wie ich bereits in den vorherigen Einträgen durchblicken ließ, ist mein Kumpel ein Dauergast in Griechenland. Bildlich gesprochen wäre er der Typ, der die Stempelkarte beim Döner immer als erstes vollbekommt und das schon seit Jahren. Seine Großeltern hatten sich mit Griechen angefreundet, sein Vater kommt her, seit er jung war und nun eben auch er. Das bietet natürlich Möglichkeiten, die andere Touristen nicht bekommen. Sicher, nichts gegen einen (für uns weiterhin kostenlosen) Abend im Hotel mit dicken Drinks. Doch was ist schon ein Urlaub, wenn man nicht auch mal die Menschen und die Kultur des Landes im Blick hat.

Da bot es sich an, dass wir uns (dank der heimischen Gastfreundschaft) einfach zu den Besitzern der Wohnung setzen konnten. Hin und Wieder stattete uns auch ein Verwandter der befreundeten Griechen (die uns hier das Apartment überließen) einen Besuch ab, der zwar erst 17, für sein Alter aber furchtbar reif war. 
Er erzählte von dem Leben hier. Daheim hat ja jede Jahreszeit so grob Ihre Vor- und Nachteile. Zumindest kann man im Winter genug machen, um nicht zu versauern. Und es gibt Glühwein!

Das ist hier anders, wenn wir im Sommer vielleicht 60% Lebensenergie haben und im Winter 40, dann sind es hier 85 zu 15. Der Winter ist nicht schön hier. Die Menschen leben vom Tourismus, der im Winter wegfällt. Also haben die Hotels zu und das gilt dann meist auch für die Bars und Clubs. Die Insel verfällt in einen Winterschlaf und das vergleichsweise raue und kalte Klima macht das nicht besser. Es werden Boote ausgebessert und sich um den Garten gekümmert, aber wirklich Action ist nicht. Im Sommer hingegen trifft man sich dafür jeden Abend, die Leute sitzen abends hier nie alleine daheim, sondern gehen in eine Bar oder ein Café, gehen feiern oder sitzen einfach nur in Gruppen zusammen. Die allermeisten sind hier weiterhin gläubig und so findet im Sommer auch oft eine "Pilgerreise" zur Nachbarinsel statt, dort gibt es eine heilige Statue des Erzengels Michael. Es gibt Hochzeiten, Namenstage und Familienfeiern. Ja, der Sommer ist die Hauptzeit zum Leben.
Im Winter wird aber nicht nur weniger gemacht, es wird auch mehr aufs Geld geachtet. Denn das Geld kommt in den meisten Familien durch den Tourismus rein. Entweder direkt durch Arbeit in einem Hotel oder indirekt, zum Beispiel durch Arbeit in einem Restaurant oder in Falirakis legendärer Barstreet. Wenn dann im Winter alles zu hat, wird also gespart, um über die Runden zu kommen. Das macht dieses Jahr besonders mies für die Inselbewohner, eine viermonatige Zwangspause von der Haupteinnahmequelle kam wohl niemandem gelegen. Gut, dieses Problem gab es jetzt ja in vielen Urlaubsgebieten. Ich sah auch niemanden sich beklagen. Doch die Sorge war schon spürbar und ich drücke den Leuten hier die Daumen.

Zweiter Punkt, Jugend. Ich hatte das Gefühl, die Menschen werden hier schneller erwachsen. Der Verwandte hatte mit seinen 17 Jahren schon viel zu viel erlebt, viel zu viel Müll, der ihn älter werden ließ. Gefeiert und getrunken wird meist ab 12 (die reichten hier aber auch jedem den Voddy raus) und viele Mädels sehen mit 14 schon aus wie 18 in Deutschland und haben bereits erste Beziehungen. Das alles ist ja erstmal weder gut noch schlecht, die Perspektive der Jugendlichen macht es. Viele zieht es nach Athen, aber so verheißungsvoll diese Stadt auch ist, da geht halt jeder hin. Im Endeffekt kann es passieren, dass du mit einem Bachelor noch ne ganze Weile im Café arbeiten musst, weil es sonst nichts gibt. Viele Jugendliche lassen sich für Musik oder Motorsport begeistern, zumindest lockt das mit einer verheißungsvollen Zukunft. Talent haben hier so einige, ich durfte einige Stücke von Kindern Afandous hören - echt top. Und sah auch die Jungs, die ihre 50 ccm Roller auf 120 km/h tunen. Leider mit dem Preis, das fast jeder Jahrgang einen oder zwei Todesfälle zu beklagen hat. Es ist vielleicht nicht nur die Aussicht auf eine gesicherte Zukunft, die die Rennen und die Unfälle verursacht, doch aber ein Brandbeschleuniger. Wir hatten (berechtigterweise) bestürzt reagiert, als wir eine Mitschülerin unseres Jahrgangs bei einem Verkehrsunfall verloren hatten. Und hier passiert das mal eben so. 
Man weiß trotzdem, wie das Leben genossen wird. Und die Verbindung zu seinen Freunden und Nachbarn ist sicher eine innigere als in Deutschland, wo man zumindest mit letzterem kaum zu tun hatte. Die Partys sind belebend, man trifft sich abends im Café anstatt abends nur sein Feierabendbier zu trinken und weiß trotz allem die Umgebung und die Energie des Sommers zu schätzen. So treiben gerade die Jugendlichen ein wenig zwischen Demut und Größenwahn, ohne dass man das als Außenstehender so mitbekommt. Für mich war es gerade aus diesem Grund eine echt interessante Erfahrung, diesen Blick hinter die Kulissen zu bekommen. Ein Blick, der sowohl Dankbarkeit für meine behütete Situation als auch Sehnsucht nach dem unbeschwerten Teil dieser Insel hervorrief.

In Kürze geht es dann weiter mit den Hochglanzbildern. Man liest sich!