Ladies and Gentleman, Grüße aus Lockdown Nummer 2. Der meiner Meinung nach eine noch größere Mogelpackung ist als der erste. Warum müssen Restaurants mit vernünftigem Hygienekonzept schon wieder schließen, Kinos auch, aber Schulen und Büros haben weiterhin offen? Nicht nur, dass man nach getaner Arbeit nichts machen kann, nein man fuhr zu dieser oder zum Unterricht auch meist mit Zug. Und die DB spielte weiterhin ihr beliebtes Spiel „Wie viele dicke Kinder kriegen wir in ein Abteil?“.
Fairerweise muss ich anmerken, dass ich durchaus Homeoffice hätte machen können. Meine Praxisphase hat wieder begonnen, ich war in der Entwicklung gelandet. Dort waren die meisten nicht im Büro, aber daheim konnte ich mich einfach nicht motivieren, also fuhr ich hin. Mit vollem RB und noch vollerer S-Bahn bis ich unser schönes Büro in der Stadtmitte Berlins erreichte. Es gibt guten Kaffee und man sieht immerhin noch ein paar Kollegen wieder. Nach den Onlinevorlesungen war das fast schon schön.
Das ist auch nicht das einzig Positive der letzten Zeit, denn nach all den Jahren eröffnete Ende Oktober der BER und Brandenburg war seinen alten Running Gag los. Na endlich.
Fast wäre ich auch von dort aus abgeflogen, Anfang November hatte ich einen Kurzurlaub in Faro gebucht. Und es sah bis kurz vor zwölf auch danach aus, als könnte ich fliegen.
Faro war noch kein Risikogebiet. Das änderte sich erst einen Tag vor Abflug. Ja, einen Tag vorher. Das Reisebüro rief mich am Abend an und die ganze Sache hatte sich erledigt. Mau.
Aber es passte irgendwie auch in den November. Ich mochte den noch nie, es war schon dunkel und kalt und von der Vorweihnachtszeit hatte man noch nichts. Der Lockdown machte das nicht besser.
Und er brachte mich dazu, über das philosophische Thema des Älterwerdens nachzudenken. Ich meckerte seit meinem 18. Geburtstag darüber, dass ich alt wurde. Zugegebenermaßen immer mit einem leicht melancholischen Unterton. Jedes neue Lebensjahr erinnerte mich unangenehm daran, dass ich viel schaffen wollte, viele verrückte Pläne und Ideen hatte, und die wenigsten davon bisher umsetzen konnte. Außerdem wurde ich dieses Jahr laktoseintolerant. Deutlicher konnte man nicht sagen „Du wirst alt“.
Dazu kam dann noch die frohe Kunde einer Mitschülerin, die in diesem Jahr ein Baby und damit den ersten Nachwuchs unseres Jahrgangs zur Welt gebracht hatte. Klar, wir freuten uns total für Sie, aber der Gedanke, dass sie jetzt schon eine verantwortungsvolle Mutter war, während ich selbst noch nicht mal durch die Uni durch war, ja der Gedanke war ziemlich gewöhnungsbedürftig.
Man sagt ja auch oft, alt werden sei ein Geschenk. Sicher mag das auch stimmen, manchmal ist es aber auch eines der Päckchen, die erst verlockend rascheln und in denen sich dann ein Paar Wollsocken verbirgt.
Ich persönlich finde vor allem eins immer unschön, wenn es um dieses Thema geht. Vor allem die Ungewissheit über das, was kommt.
Das an sich ist nicht unbedingt schlecht. Denn klar, man scheitert auch immer wieder mal. Oder fliegt aufs Maul (bzw. überschlägt sich mit nem Boot). Hätte ich das vorher gewusst, wäre ich vermutlich pessimistisch geworden. Bei den meisten Dingen bin ich aber weiterhin ein Optimist und versuche, mir immer die beste aller Optionen auszumalen und dann dafür zu tun, was möglich ist. Die Sorge ist also eher, mit der Zeit die Optionen nicht mehr zu haben. Unter Umständen nichts mehr mit den Leuten zu tun zu haben, die meine Jahre als Teenager so gut gemacht haben oder einfach nicht mehr dazu zu kommen, weil plötzlich jeder seinem eigenen Weg nachgeht.
Keine wirklich berechtigte Sorge, zum Glück, denn nach dem Abi habe ich zwar bemerkt, wie schnell sich die Truppe in alle Winde verstreut, aber auch, dass das kein Grund war, sich (zumindest virtuell) immer mal wieder zu sehen.
Und das, damit kommen wir mal zur Schlussfolgerung, wurde meine Strategie mit diesem Gefühl des Altwerdens umzugehen.
Ich versuche so viel Neues zu machen wie möglich. Und das mit Vertrautem zu verbinden. Das klappt bisher sehr gut. Ich bin beispielsweise noch nie so viel gereist wie in den letzten Jahren. Trotzdem schaffe ich es, Freunde und Verwandtschaft immer wieder zu sehen.
Quasi als Bonus probiere ich selbst hin und wieder Neues aus, beispielsweise den Probebetrieb am BER. Einmalige Gelegenheiten, die ich mitnehme, um den Moment zu leben.
Denn die Zeit zu nutzen und zu genießen, die man hat ist eindeutig die beste Option. Wenn auch nicht immer die einfachste.
Schön, dass ich das mal ansprechen konnte. Jetzt genieße ich daheim einen Kakao und freue mich, dass die ersten Häuser in der Nachbarschaft schon erleuchtet sind. Wir ziehen bald nach und der nächste Post wird dann vor allem eines: Weihnachtlich.